Kürzlich hat mir mein Freund Norbert ein frisches Bild einer berühmten Arp-Galaxie zugeschickt (Arp 85). Mir selbst ist vor einiger Zeit ein ganz ordentliches Bild eines anderen crashenden Galaxienpaares, Arp 271, im Sternbild Jungfrau gelungen. In ca. 113 Millionen Lichtjahren Entfernung bahnt sich da etwas an, das wir in unterschiedlich fortgeschrittenen Entwicklungsstadien in den 338 Galaxienbildern des ursprünglichen Arp-Katalogs studieren können.
Bei der zukünftigen (ein paar hundert Millionen Jahre wird es noch dauern) gewaltsamen Verschmelzung, erhebt sich natürlich die Frage nach dem Schicksal der Sterne. Werden sie auf gebundenen Bahnen verbleiben, oder werden sie weggeschleudert?
Um der Antwort näher zu kommen, hab ich es mal programmiert und ein paar Videos gemacht. Ich plaudere hier mal aus dem Nähkästchen wie das im Detail vor sich geht 🙂
Es ist nämlich gar nicht so einfach, eine “vernünftige” Galaxie herzustellen, d.h. eine, die auch über viele Rotationen nicht auseinanderfliegt oder zusammenstürzt. Ich benutze dafür den Code “galactics.parallel-master” von Evghenii Gaburov & Jeroen Bédorf. Details in
– Kuijken, K.; Dubinski, J. 1995 (1995MNRAS.277.1341K)
– Widrow & Dubinski 2005 (2005ApJ…631..838W)
– Widrow, Pym and Dubinski 2008 ( 2008ApJ…679.1239W )
Für die Integration mittels der beiden GTX1080Ti-Grafikkarten nehme ich den CUDA-Code
Bonsai — A GPU gravitational [BH]-tree code
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Copyright [2010-2017]
Jeroen Bédorf <jeroen@bedorf.net>
Evghenii Gaburov <egaburov@dds.nl>
Das gibt mehr als 25 Tera-Flops Rechenpower !
Für die vielen im Einzelnen anfallenden weiteren Aufgaben verwende ich Python, Fortran und die Skriptsprache der Bash. Die Plots mache ich mit gnuplot, die Videos mit ffmpeg.
Eine gewisse Flexibilität ergibt sich, indem Programme Programme schreiben, die oft weitere Programme erzeugen … Es wird alles schnell komplex und unübersichtlich. Manchmal könnte man ausrasten! Es ist halt, wie man neudeutsch sagt, eine “Raketenwissenschaft”.
Wenn es aber läuft, werden automatisch beliebig viele Videos erzeugt, die ich u.a. automatisch in der Cloud speichere. Man hat einen riesigen Parameterraum für die Initialbedingungen zur Verfügung. Am Start wählt man
- einen Anfangsabstand der Galaxien,
- eine relative Anfangsgeschwindigkeit zueinander,
- eine Rotationsrichtung für jede der beiden,
- eine Orientierung (Neigung) für jede der beiden Scheiben,
- einen orientierten Stoßparameter (== kürzester Abstand der Zentren ) …
Man kann für alles Bereiche angeben, die der Computer dann sukzessive abarbeitet. Für jeden Satz von Anfangsbedingungen wird dabei eine Protokolldatei und ein Video abspeichert. Auf das die Drähte glühen.
Ich hab mich noch nicht bemüht das System von Arp 271 zu modellieren . Hier mal eine Kostprobe von ersten Ergebnissen.
Man kann das Video durch erneutes Anklicken anhalten bzw. weiterlaufen lassen.
Zwei Sc-Scheibengalaxien, also so wie in Arp 271, fliegen aufeinander zu. In jeder sind 2 Sterne farbig markiert. Sie bewegen sich zunächst auf geordneten Bahnen um ihre Muttergalaxien. Die sich mit der Zeit ergebenden farbigen Linien sind sowas wie Rauchfahnen, welche die Sterne in Raum und Zeit hinterlassen. Ich habe hier je einen Stern aus dem Außenbereich (Halo) der Galaxien (orange links und gelb rechts) und einen aus ihrem Inneren gewählt. Die sind hier link rot in der linken Galaxie und grün in der Rechten. Es zeigt sich, dass keiner der 4 Sterne verloren geht, während die Galaxien sich komplett zereißen und dann erneut zusammenfinden.
Update ……….
Hier ein Video, das der Sache schon näherkommt. Ich starte ein paar hundert Millionen Jahre früher, damit die Sterne Zeit haben, den Sog der anderen Galaxie zu spüren. Beschreibung wie zuvor.
Ob es so kommt, wird keiner von uns beobachten können. Unsere Bärte wären mehrmals um die Erde gewachsen …
Es ist übrigens ziemlich fies, in diesem Zusammenhang nach Stephans Quintett zu fragen !
Kernkraftwerk, Supernova mit Wasserkühlung …