Einfache Frage: Wie weit ist es zu den Plejaden? Kaum zu glauben, daß die moderne Astronomie bis vor kurzem darauf eine falsche Antwort gab: 410 Lichtjahre!
Die ganze Sache wurde sogar noch mysteriöser, als 1989 der ESA-Satellit Hipparcos gestartet wurde. Er war auf solche astrometrischen Probleme gedrillt: 390 Lichtjahre! Noch mehr daneben !
Mittels VLBI erhielt man später 444 Lichtjahre.
Gaia heißt der Nachfolger von Hipparcos (1989–1993). Gaia ist im strengen Sinn kein Erdsatellit, sondern eine Sonde, die sich ca. 1,5 Millionen km von der Erde entfernt beim Sonne-Erde-Lagrange-Punkt L2 befindet. Mit ihr werden die Positionen der Sterne bis zu 200-mal genauer gemessen, 10000 mal mehr Objekte untersucht und 100000-mal mehr Daten produziert als bei der Vorgängermission.
Seit Dezember 2020 steht der Gaia EDR3 (Early Data Release 3) zur Verfügung. Es gibt damit verbesserte Astrometrie und Photometrie wie z. B. Sternörter, Parallaxen, Eigenbewegung, Drei-Band-Photometrie sowie Quasare.
Wir wollen im ersten Teil den Katalog benutzen, um die Distanz der Plejaden zu ermitteln. Das ist nicht nur eine sportliche Übung. Die Sterne eines Sternhaufens sind in etwa gleich weit von uns entfernt, bewegen sich in derselben Richtung durchs Weltall, sind gleich alt… sind eine wichtige Sprosse auf der astronomischen Entfernungsleiter.
All das macht sie zu interessanten Objekten für viele Teilgebiete der Astronomie und Astrophysik. Im zweiten Teil wird es um das Alter des Plejaden gehen.
Um der Sache näher zu kommen, zücken wir hier ein ziemlich scharfes Schwert. Als Astronom und Katzenliebhaber empfehle ich:
Topcat
Sieht auf den ersten Blick harmlos aus, ist es aber nicht.
Unter VO in der Kopfleiste findet man “Cone Search” als einfaches Suchverfahren.
Objektname: pleiades oder m45,
Radius: 5 Grad, -> Resolve
Keywords gaia edr3 – dann auf -> Find Services,
In der Liste eine passenden Katalog wählen: GAIA EDR3 – auf -> OK klicken.
Das lädt über 718000 Sterne in den Computer. (Ich hab für die, die es nachmachen wollen und nur einen kleinen Computer zur Verfügung haben, einen anderen Katalog benutzt. Statt “gaia edr3” einfach “tgas” eingeben. Das liefert nur ca. 3000 Sterne, unter denen aber auch die Plejaden sind. Vergl. Bild 1)
Hier sind die gelieferten Sterne mittels ihrer Koordinaten auf die Himmelskugel projiziert. Im folgenden Bild stark gezoomt. Seht ihr die Plejaden?
Scherz 🙂 Wenn wir statt der Himmelskoordinaten (ra, dec) die winzigen Eigenbewegungen (pmra, pmdec) der Sterne plotten, sehen wir zwei getrennte Anhäufungen.
(mas steht für “milli-arc-second”, also 0.001 Bogensekunde, pm für proper motion, also Eigenbewegung quer zur Sichtlinie)
Während sich dann die roten Sterne mit ihren zufälligen Bewegungen symmetrisch um der Nullpunkt verteilen, der eine fliegt hierhin, der andere dorthin, – sehen wir einen kleineren, grün markierten Bereich, in welchem sich die Sterne alle gleichförmig, mit etwa -45, 20 mas/yr bewegen. Da stecken die Plejaden drin. – Ein bissche Streuung gibt es, da einerseits Meßfehler auftreten, andererseits die Sterne sich gegenseitig anziehen und so eine Bewegung um den Haufenschwerpunkt auftritt, deren Querkomponente wir da sehen.
Im folgenden Bild ist das so dargestellt, wie man es am Himmel sehen könnte, wenn man 1000 Jahre Geduld aufbrächte. Die roten Sterne bewegen sich mit gleicher Geschwindigkeit in dieselbe Richtung, während die gelben Sterne, die nicht zu den Plejaden gehören, chaotisch durcheinander fliegen. Bei den roten Pfeilen sieht man die oben erwähnten kleinen Richtungsabweichungen.
Im folgenden Histogramm habe ich die Sterne noch strenger selektiert. Alles, was kleiner als 6 mas und größer als 9 mas ist fliegt raus. Es bleiben 162 übrig.
Damit sind wir auch schon am Ziel. Wir können die Entfernung der Plejaden direkt ablesen.
parallax = 7.3725 +/- 0.1094 mas. Das entspricht 1000/7.3725 = 135.64 Parsec,
was wiederum 135.64 * 3.26 = 442.2 +/- x Lichtjahre sind. Gut, in Wikipedia steht 444 Lj, aber die haben auch gerundet 😉
Genaueres über einen Link am Ende.
Natürlich kann ich das Histogramm nicht so genau ablesen. Dafür gibt es im Eingangsfenster von Topcat (Bild 1) den Knopf mit dem Sigma. Ein Klick öffnet das Statistikfenster.
Man kann natürlich noch viel mehr mit den Daten machen. Im folgenden ist die räumliche Verteilung (XYZ) der Sterne gezeigt. Die Helligkeiten sind farbig kodiert.
Das nächste Bild zeigt die Verteilung der Plejaden im heliozentrischen Geschwindigkeitsraum (UVW), in km/s. Topcat hat spezielle Funktionen um z.B. aus den Eigenbewegungen (tangentiale Geschwindigkeitskomponente) und Radialgeschwindigkeiten, die Vektoren des UVW-Systems zu berechnen.
Wer genau hinsieht, erkennt, dass sich der Haufen bereits auflöst. Schuld dran sind die vom galaktischen Kraftfeld erzeugten Gezeitenkräfte. Ich hatte ja schon mal einen Beitrag dazu gemacht: Palomar 13 löst sich auf.
Die beiden letzten Bilder zeigen das enge Zusammenspiel von Topcat mit anderen Programmen wie Aladin. Es reicht ein Mausklick, um die Daten zu versenden …
Im zweiten Teil versuchen wir das Alter zu bestimmen und ich zeige noch ein paar weitere Tricks.
Hier oben versprochene der Link
Andere Beiträge, in welchen schon mal Topcat benutzt wurde:
Die Andromedagalaxie und ihre planetarischen Nebel